Einen Federkiel zurichten

Einen Federkiel gut zuzurichten ist nicht so einfach wie man denkt und erfordert einiges an Übung.
In den mittelalterlichen Rezeptbüchern finden sich gelegentlich Anweisungen wie man einen Federkiel zurichten soll.
Die ausführlichste mir bekannte Anweisung dazu, findet sich in einem 1553 in Nürnberg verfasstem Schreiberbüchlein. Dem – Ein nutzlich vnd wolgegrundt Formular Manncherley schöner schriefften Als Teutscher Lateinischer Griechischer vnnd Hebrayscher Buchstaben sampt vnterrichtung wie ein yede gebraucht vnd gelernt soll werden– von Wolfgang Fugger.

Die folgende Erklärung von Wolfgang Fugger ist nicht wörtlich übernommen und an der einen oder anderen Stelle ergänzt.

Die Auswahl des Kiels
Zum ersten ist es wichtig das man eine gute und wohl zugerichtete Feder hat. Wie eine solche zugerichtet wird, will ich im folgenden erklären.
Zunächst sollst du dir einen guten und reinen Kiel aussuchen, der keine Flecken hat, sondern fein, klar und durchsichtig sein soll.
Anschließend schabe die Oberfläche des Kiels mit einer Klinge ab, damit er schön glatt wird.

Die Unterteilung des Kiels
Um die Zurichtung des Federkiels besser verständlich zu machen, will ich den Kiel unterteilen.

Die senkrechten Linien
Wie auf Abbildung 1 zu sehen, wird der vordere und hohle Teil des Federkiels in vier gleichgroße Teile unterteilt. Und diese wiederum in drei gleich große Teile. Dadurch ergeben sich wie auf Abbildung 1 zu sehen ist 12 Hilfslinien.

Abbildung 1

Die horizontalen Linien
Die Linie A – B bezeichnet die Bauchlinie, die Linie C – D bezeichnet die Rückenlinie und die Linien E – F sowie G – H die Seitenlinien.
Anmerkung: Die Linien A bis H darf man nicht als auf einer Ansichtsseite liegende Linien verstehen. Statt dessen muss man sich den Federkiel dreidimensional und in der Hand liegend vorstellen. Wobei er so gegriffen wird, wie seine Form es vorgibt. Dann liegt die Bauchlinie an der dem Papier nahen Unterseite des Kiels, die Oberlinie senkrecht darüber auf der Oberseite des Kiels und die Seitenlinien links und rechts vom Kiel.

Das Zurichten
Als erstes schneide das erste Viertel des Kiels ab. Denn es ist zu weich und taugt nicht als Federkielspitze.
Gehe dabei so vor das du den Kiel mit dem Messer diagonal von der Bauchlinie zur Rückenlinie durchtrennst. Dabei beginnt der Schnitt an der Bauchlinie auf Höhe von Hilfslinie 5 und endet an der Rückenlinie auf Höhe von Hilfslinie 3.
Als nächstes wird ein Speltlein in den Kiel geschnitten. Lege dazu den Kiel so auf eine Unterlage, das der Federkiel mit dem Rücken auf der Unterlage liegt und die Kielspitze zu dir zeigt.
Stecke das Kielmesser in den Kiel und setze die Schneide von innen auf die Rückenlinie des Federkiels.
Pass aber auf das Du das Messer nicht zu tief in den Kiel einführst, damit das Speltlein nicht zu lang wird (sonst taugt der Federkiel nicht zum Schreiben). Sitzt das Messer fest auf der Rückenlinie, halte es fest darauf und hebe vorsichtig das Rohr des Kiels an. So sprengt sich das Speltlein fein auf.
Die Länge des Speltleins ist auf Abbildung 2 mit der Linie A – B beschrieben.

Anschließend soll ein weiterer bogenförmig aushöhlender Schnitt gemacht werden. Dieser wird an der Bauchlinie angesetzt und führt, wie auf Abbildung 2 angezeigt, von C bis zur Spitze. Wobei er sauber in der gleichen Flucht verlaufen soll wie der erste Schnitt, der das erste Viertel des Kiels abgetrennt hat.

Als nächstes folgt die linke Ausschweifung, die auf Abbildung 2 mit der Linie D – E bezeichnet ist. Gefolgt von der rechten Ausschweifung, die mit der Linie F – G bezeichnet ist.
Nach diesem Arbeitsschritt muss sich das vorher geschnittene Speltlein, möglichst genau in der Mitte der beiden Ausschweifungen befinden.
Nun wird die Federkielspitze geschärft. Halte dazu den Kiel mit dem Kielrücken nach oben, so das die Spitze von dir weg zeigt. Setze das Messer auf der Rückenlinie an der auf Abbildung 2 angezeigten Linie H an, und hoble in Richtung Spitze fahrend einen dünnen Span weg. So das die Federkielspitze mit einer Schneide versehen wird.

Als letztes wird die Federspitze an der mit I – K bezeichneten Linie beschnitten. Für diesen Schnitt gibt es drei Möglichkeiten. Einen geraden Schnitt, sowie einen nach links oder nach rechts abgesenkten Schnitt.
Bei einem geraden Schnitt: Je spitzer die Federspitze, umso feiner ist das Schriftbild.

Als letztes wird die Federspitze an der mit I – K bezeichneten Linie beschnitten. Für diesen Schnitt gibt es drei Möglichkeiten. Einen geraden Schnitt, sowie einen nach links oder nach rechts abgesenkten Schnitt.
Bei einem geraden Schnitt: Je spitzer die Federspitze, umso feiner ist das Schriftbild.

Abgesenkte Federkielspitzen
Die Federspitze kann auf verschiedene Weise zugerichtet werden. Denn verschiedene Schriftarten können eine unterschiedlichen Zurichtung der Federspitze, wie auch unterschiedliche Griffweisen der Feder erforderlich machen.
Deshalb gibt es dreyerley Arten wie die Federkielspitze entlang der Linie I – K beschnitten werden kann: Eine mit einem geraden Schnitt und zweyerley mit einem abgesenkten Schnitt.
Damit du verstehst wozu dies dienlich ist, will ich dir bei jeder Schrift anzeigen welche Zurichtung die Feder benötigt und wie du den Federkiel greifen sollst.
Um das zu verstehen sollst du die Linien im Gedächtnis haben, mit denen ich die Feder unterteilt habe.

Im allgemeinen kann aber gesagt werden das Schriften die gelegt und gewunden sind eine Federspitze erfordern die nach links gesenkt ist.
Für geschobene und gewölbte Schriften dagegen, benötigt man eine Federspitze die zur rechten Hand abgesenkt ist.

Die mit A bezeichnete Linie markiert die linke-, und die mit B bezeichnete Linie die rechte Seitenlinie. C markiert die Rückenlinie und D die Bauchlinie.

rechts abgesenkt

Gegen die rechte Hand hin abgesenkt

 

 

 

 

 

 

 

Gegen die linke Hand hin abgesenkt

 

 

 

 

 

 

Die Materialeigenschaften der ersten vier Unterteilungen
Nochmal zurück zur Vierteilung des hohlen Federkielteils: Der erste Teil taugt wie gesagt nicht zum schreiben. Der zweite Teil ist gut und taugt als Federkielspitze. Der dritte Teil gibt ein unreines Speltlein was dazu führt das die Tinte ungleich aus der Feder fließt. Der vierte Teil ist zu nichts nutze.
Was bedeutet das der Federkiel nur so lange als Schreibgerät taugt, wie sich aus dem zweiten Viertel eine Spitze nach schneiden lässt. Ist der Kiel soweit herunter geschrieben das man mit dem nach schneiden ins dritte Viertel kommt, muss er ersetzt werden.

Was in der Anweisung nicht erwähnt wird ist das von der Kielfeder alles entfernt wird was nicht benötigt wird. Die Kielfeder wird großzügig ein gekürzt und die Befiederung wird entfernt in dem sie entgegen des Strichs vom Kiel abgezogen wird.